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Plaintext

SCHUBUMKEHR
Versuch einer Auseinandersetzung.
_Schubumkehr?_
Schub,
1) mechanische Kraft, Scherung, die unmittelbar benachbarte
Querschitte eines Koerpers gegeneinander verschiebt oder
verdreht;
2) Vortriebskraft einer Stahlduese in -> Stahltriebwerken,
gemessen in Kilo-> Pond; Leistung e. Strahltriebwerkes in PS
= 0.85 x Schub in kp (Faustformel)
Du sitzt in einem klimatisierten Airbus oder einer Boeing
und wuergst gerade ein ungeniessbares Stueck gefaerbten
Schinken hinuter. Auf einmal ein kurzer Ruck, Licht und freier
Fall, der dich binnen Bruchteilen von Sekunden die Besinnung
verlieren laesst.
Und warum das ganze? Mensch konnte sich eines weiteren
mechanischen Teils, einer etwa 100 kg schweren Stange inklusive
Baudenzuege aus Metall entledigen, welche sinnlos Gewicht in
Anspruch nahm. Immerhin, ein weiter Fahrgast konnte befoerdert
werden. Und 200 waren tot, als festgestellt wurde, dass mensch
vielleicht doch ganz gut beraten gewesen waere, die Stange
nicht durch eine mikroprozessorgesteuerte Logik und einen
Servo zu ersetzen. Schade, dass es immer erst Tote geben muss
bevor ueber die Leichttfertigkeit, mit der vorhandene
Schutzmechansimen ausser Kraft gesetzt werden, wieder
nachgedacht wird.
_Wann wird die Schubumkehr ausgefahren?_
Neuerdings dann, wenn der Computer es fuer richtig befindet.
Computer die nichts mit "Computer Lib" zu tun haben, sondern
in ein System der Oppression, Kontrolle und Ausbeutung integriert
sind. Was uns wieder einmal zeigt, dass mensch sich nicht in dem
Mass auf Maschinen - welcher Art auch immer - verlassen sollte.
Denn ist mensch einmal abhaengig davon, so ist es zu spaet.
In diesem Sinne ist unsere Schubumkehr zu sehen:
Lasst sie uns ausfahren, und sehen was geschieht wenn wir dies
bewusst tun. Wir haben beschlossen, bei diesem Projekt einige
Schwerpunkte zu setzen. Die einzelnen Punkte sollen aber nicht
einzeln betrachtet werden, sondern im Kontext. Verschiedene
Workshops werden sich ueberschneiden, ergaenzen.
GESELLSCHAFTSUMKEHR
Was hat die Gesellschaft mit der Schubumkehr zu tun?
Die Gesellschaft spiegelt die Einfluesse neuer
Kommunikationsformen und Gepflogenheiten wieder. Sie ist
Gradmesser fuer die unmittelbaren sowie die langzeitigen
Auswirkungen neue Lebens- und Interaktionsformen. Sie ist
die Voraussetzung fuer eine erneute Schubumkehr.
Welche Aspekte der Gesellschaft werden bei der Schubumkehr
ausgefahren?
- Masseninteraktivitaet: Isolation oder Integration?
(Mensch-Mensch-Maschine Kommunikation, Lost in Hyperspace,
Bildungsoffensive)
- Meinungsfreiheit: Zugestaendnis oder Errungenschaft?
- Electronic Democracy: Scheingesellschaft oder Gesellschaft
des Seins (sich selbst bestimmen)
Empower the individual, Verantwortung & Macht
- FemNet, Gay, Behinderte, Arbeitssuchende, etc...
DATENSCHUTZ UND DATENSICHERHEIT
Im Zuge der EU wird schon fleissig mit verschiedenen
Personenueberwachungssystemen experimentiert. EIS (europ.
Informationssystem) ist auf Grund der heutigen
Kommunikationstechnologie bereits auf dem Weg zur
Realisierung. Das heisst, das Schengener Abkommen hat den Weg
frei gemacht fuer die Einfuehrung von Identitaets- und
Chipkarten und ermoeglicht ein totalitaeres Kontroll- und
Sanktionssystem gegen AsylbewerberInnen und andere unliebsame
Randgruppen. Auch der Schutz der Privatsphaere ist nicht mehr
gewaehrleistet. In den USA wurde Phil Zimmermann,
Programmierer des email-Verschluesselungsprogramms PGP,
bekanntlich wegen Waffenexports angeklagt, als er sein
Programm oeffentlich ueber das Internet anbot. Regierungen
fordern fuer ihre militaerischen Netze hoechste Sicherheit,
die Kommunikation der BuergerInnen soll aber ueberwachbar
sein. Ist Verschluesselung der adaequate Weg zur Erlangung der
Privatsphaere? Wie laesst sich das mit der Freiheit der
Information vereinbaren?
Einige Aspekte:
- Cypherpunk Movement vs. Freedom of Information
- Die "Innere Sicherheit" als Vorwand fuer totalitaere
Tendenzen
INTERNET-DEMARKETING
Der Internet-User-Aufschwung der vergangenen beiden Jahre ist
unuebersehbar. Durch guenstigere Zugangsmoeglichkeiten ist es
erstmals moeglich, dass eine grosse Zahl an InteressentInnen
die Moeglichkeiten internationaler Computervernetzung
auszunuetzen. Der medienkolportierte Technopopulismus ist
nicht zu uebersehen. "Get on the Internet or you're toast", wie
es Arthur Kroker zynisch ausdrueckt. Dieser Zwang zur
Virtualisierung, Vernetzung wird vor allem durch die
Wirtschaft unterstuetzt. Die Forderung nach Praesenz im
Internet wird immer staerker in die Tat umgesetzt, und so ist
eine I-Verkommerzialisierungswelle im Gang. Das WWW wird mit
"Konsumenten-Informationsseiten" ueberschwemmt, die Newsgroups
werden mit Werbenachrichten zugemuellt. Auf den
verschiedensten Netz-Veranstaltungen tummeln sich Marketing-
Agenturen, RechtsanwaeltInnen, die sich auf die
Kolonialisation der Netzwerke vorbereiten. Erst kuerzlich hat
der Chefredakteur von _Wired_, Louis Rossetto, festgestellt,
dass das Zeitalter der Netzutopie, die Zeit der kreativen,
anarchistischen Energien der Cyberpunks vorbei ist, und dass
es Zeit wird, endlich zur Sache zu kommen. Big money on the
way. Der Internet wird als kommerziell attraktives
"weltgroesstes Plakat" behandelt. Wirtschaftsgesteuerte
Happenings wie das Internet-Caf? der "Ifabo 95" (vor allem der
Vortrag der SponsorInnen!) versuchen gezielt realitaetsbildend
aufzutreten. Kreative, kuenstlerische, unkonventionelle
Nutzung des Nets wird totgeschwiegen, unterdrueckt, geleugnet,
allein die Moeglichkeiten fuer kommerzielle Nutzung werden
beschrieben. Als sensationelles Beispiel Geschaeftsbrief per
Email und aehnliche "fantasievolle" Anwendungsmoeglichkeiten.
Kommerz-Net-Suggestion. Andererseits koennen, zum Teil von den
selben HandlangerInnen des Tech-Hypes, immer staerker Stimmen
wahrgenommen werden, die sich gegen das bisherige Internet-
Konzept auflehnen. Die anarchische, unkontrollierbare Struktur
wird kritisiert, vor allem aus Kreisen der technologischen
Industrie-Oberklasse und Bereichen wie Marketing und PR wird
die Forderung nach neuen Projekten immer staerker. Der
derzeitige Aufbau des Nets koenne nicht gezielt fuer
Marketingstrategien genuetzt werden. Bekanntestes Traumbild
der Wirtschaftstreibenden ist (natuerlich nur fuer die
KonsumentInnen, die "virtuelle Klasse" treibt die Corporate-
Vernetzung natuerlich voran) der vielumjubelte, dennoch bisher
unklassifizierte "Datenhighway" und dessen gepriesener
Abkoemmling "Video on demand". Video on Demand als
katastrophaler Rueckschritt, der Schritt zurueck auf die Stufe
der one-to-many Kommunikation. Als einziges Medien der many-to-
many Kommunikation ist das Internet eine zu unstrukturierte,
amorphe Masse an Links und Verbindungen. RTL-Chef Thoma stellt
zurecht fest, dass im Multimediagetuemmel die AnbieterInnen
die KonsumentInnen zu sehr aus den Augen verlieren. Thoma
verraet sich und die althergebrachte Medienbranche sehr
ungeschickt durch diese Aussage. Der/die KonsumentIn wird aus
den Augen verloren, der Versuch der Kontrolle, Manipulation,
Verdummung wird zunehmen schwieriger. Der/die UserIn kann fast
direkt in die Informationswolke eindringen, ungefilterte
Information aus der globalen Diskussion entnehmen, ohne die
Selektion einer Vielzahl an Gatekeepers ueberlassen zu
muessen. Es muss an gezielten Internet-Demarketing Projekten
gearbeitet werden, um endlich klar festzustellen, dass wir
diese Revolution nicht auch noch an uns vorueberziehen lassen
wollen. Die Moeglichkeiten kreativer, unkommerzieller Nutzung
sind unbegrenzt. Das Internet als sozialer, gesellschaftlicher
Ort des Kontaktes, nicht als Manipulations und
Ausbeutungsorgan einer kommerziellen Medien-Lobby, Ort der
friedlichen, kuenstlerischen, kreativen Projekte, nicht als
_an other cesspool of greed_, wie es die ILF so treffend
andeutete. Es wird Zeit, dass den Bossen von Microsoft, Wired,
etc. das Ruder aus der Hand gerissen wird, es wird
Zeit, dass ihre Machtpolitik aufgezeigt wird, ihre
Selbstbeweihraeucherung auf den diversesten Technologie-
Veranstaltungen (von "Caf? Stein" bis "Austrian Tele-
Homeshop") ein Ende hat. Zeit fuer eine Kurskorrektur. Zeit
fuer eine Schubumkehr.
HYPERTEXT
"We intend to destroy all dogmatic verbal systems" - William
Burroughs
Stellen Sie sich einen Text am Computer vor. Einen Text, bei
dem Sie durch anklicken bestimmter Woerter sofort auf ein
anderes Dokument springen. Sie lesen das Dokument also nicht
mehr linear, sondern benutzen assoziative Verbindungen, um
sich ihren eigenen Weg zusammenzustellen. Ein Hypertext ist
kein abgeschlossenes Werk, sondern ein offenes Geflecht von
Verbindungen, das sich in immerwaehrendem Wandel befindet.
Hierarchien loesen sich auf, oben und unten, hinten und vorne
verlieren ihre Bedeutung. Im Hypertext gibt es kein aussen,
alles ist im Zentrum. JedeR BenutzerIn folgt dem eigenen,
individuellen Pfad. Die AutorInnen verlieren ihre Autoritaet,
die LeserInnen gewinnen sie, werden selbst zu AutorInnen. Die
Identitaet der AutorInnen verliert sich im Geflecht von
Dokumenten, sie besitzen den Text nicht laenger.
Das Potential dieser Technologie ist kaum abzuschaetzen.
Trotzdem ist es nicht leicht, damit umzugehen. Schliesslich
hat unsere Kultur seit der Erfindung der Schrift lineares
Schreiben und Hierarchie bevorzugt.
Wir wollen also einige HT-Projekte vorstellen, dabei jedoch
die BesucherInnen der Veranstaltung miteinbeziehen. Der Umgang
mit Hypertext koennte unser gesamtes Denken revolutionieren.
JedeR sollte daran teilhaben koennen.
Moegliche Projekte:
- Vorstellung des World Wide Web und dessen kreativer,
unkommerzieller Nutzung
- Prinzip von HT, zeigen versch. Beispiele (WWW, wie
man/frau es garantiert nicht machen sollte)
- Erstellen eigener WWW-Seiten durch die BesucherInnen (weg
von der Menueform - hin zur Erstellung assoziativer Links)
- Hypertext Fiction - nichtlineare Literatur
(Moeglichkeiten, Vorstellung von vorhandenen Werken)
- HT-Fiction Workshop
Das ist die Schubumkehr.
Initiiert durch monochrom (Alternativzine) und giga "Technik-
freunde" (Internet/Hackerorganisation). Kooperation mit Institut
fuer Gestaltungs- und Wirkungsforschung der TU Wien, eCE (engagierte
Computer-ExpertInnen), COONTEXTXXI (Alexander Schuermann-Emanuely)
sowie moeglicherweise t0 (Public Netbase, Konrad Becker). Geplant
sind Workshops, Diskussionen, Vortraege. Bei den OeH Medientagen
"Freequenz", Jaenner 1996, ist die Schubumkehr und monochrom
massgeblich an der Internetarbeitsgruppe beteiligt.